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Unterrichtsqualität und mathematisches Verständnis in verschiedenen Unterrichtskulturen (2000 - 2006)

Projektleitung: Prof. Dr. Eckhard Klieme Projekt-Homepage
Ausführlichere Darstellung
Mitarbeiter: Dr. Frank Lipowsky
Dipl.-Psych. Katrin Rakoczy
Dr. Nadja Ratzka
Henning Dey (Technischer Support)
Literaturübersicht

Ziel des Projekts ist es, einen Beitrag zur Erklärung der Leistungsunterschiede zwischen deutschen und Schweizer Schülerinnen und Schülern zu leisten, wie sie in den Schulleistungsstudien TIMSS und PISA deutlich wurden. Davon ausgehend wird ein fachbezogenes spezifiziertes Konzept von Unterrichtsqualität entwickelt, das in Form eines Fortbildungskonzepts für Lehrpersonen in die Praxis implementiert werden soll.

Das Projekt gliedert sich in drei Phasen: (1) In einer ersten Phase des Projekts wurde eine repräsentative Befragung von Mathematiklehrpersonen in Deutschland und der Schweiz durchgeführt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Überzeugungen und Einstellungen der Lehrkräfte zu ermitteln und Kontextbedingungen von Unterricht in beiden Ländern zu erfassen. (2) In der zweiten Phase des Projekts wurden 20 deutsche Klassen und 20 Schweizer Klassen über ein ganzes Schuljahr in ihrem Mathematikunterricht begleitet. Um Aussagen über die Bedeutung des konkreten Unterrichts für die Entwicklung der Lernenden machen zu können, wurden in den 40 Klassen jeweils 6 Unterrichtsstunden videografiert. Die Besonderheit des Untersuchungsdesigns besteht darin, dass in den jeweiligen Klassen die gleichen Unterrichtsthemen (Satzgruppe des Pythagoras und Textaufgaben) gefilmt wurden. (3) Derzeit werden die Ergebnisse der Videostudie ausgewertet und im Rahmen einer Lehrerfortbildung in die Praxis transferiert. Das Projekt wird gemeinsam vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und der Universität Zürich durchgeführt.

Die repräsentative Lehrerbefragung (Phase 1) ergab, dass Schweizer Mathematiklehrkräfte ihre pädagogische Handlungskompetenz und ihre Ressourcen zur Bewältigung schulischer Anforderungen höher einschätzen als deutsche Mathematiklehrpersonen. Gleichzeitig nehmen die Schweizer Lehrkräfte ihre Schulumwelt, zumindest partiell, deutlich positiver wahr. So berichten sie von einem deutlich ausgeprägteren Interesse von Schülerinnen und Schülern sowie von Eltern. Besonders deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen den unteren Schulformen der beiden Ländern, der Hauptschule in Deutschland und der Realschule in der Schweiz. Die Mathematiklehrpersonen an deutschen Hauptschulen schätzen verschiedene Dimensionen der Schulumwelt und ihre Handlungskompetenz weitaus ungünstiger ein als Mathematiklehrpersonen an Schweizer Realschulen. Diese Ergebnisse sind für die Erhellung der Unterrichtskultur in Deutschland von hoher Bedeutung. Der wesentliche Unterschied zur Schweiz scheint in den sozialen Ausgangsbedingungen des Unterrichts in den »unteren Schulformen« zu liegen: Nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrkräfte dieser Schulen scheinen in Deutschland durch einen Mangel an sozialen Ressourcen behindert (vgl. Lipowsky et al. 2003; Pauli & Reusser 2003).

Im Rahmen der Videostudie (Phase 2) wurden jeweils 20 Schulklassen in Deutschland und der Schweiz in ihrem Mathematikunterricht begleitet. Um Aussagen über die Bedeutung des Unterrichts machen zu können, wurden nicht nur umfangreiche Videoaufnahmen angefertigt, sondern auch relevante Eingangsvoraussetzungen und Kontextvariablen kontrollierend einbezogen. Derzeit werden die Ergebnisse der Videostudie ausgewertet und im Rahmen einer Lehrerfortbildung in die Praxis transferiert (Phase 3). Dieses Fortbildungsprojekt geht der Frage nach, welchen Beitrag eine videogestützte und internetbasierte Lehrerfortbildung zur Professionalisierung von Mathematiklehrkräften und zur Qualitätsentwicklung im Mathematikunterricht leisten kann. An der Fortbildung nehmen 24 Mathematiklehrpersonen aus Deutschland und der Schweiz teil. Kern der Fortbildungsreihe ist die videogestützte Reflexion des eigenen Unterrichts. Zwischen den jeweiligen Präsenzphasen arbeiten die Lehrkräfte mit Unterstützung einer webbasierten Plattform selbst organisiert in kleinen Gruppen an ausgewählten Fragestellungen und untersuchen ihre eigene Unterrichtspraxis. Anhand von Videoaufzeichnungen aus dem eigenen und fremden Unterricht werden die teilnehmenden Lehrkräfte zur vertieften Reflexion über ihren Unterricht angeregt.

Das Fortbildungsprojekt wird außerdem von der Robert Bosch Stiftung, dem Hessischen Landesinstitut für Pädagogik, dem baden-württembergischen Ministerium für Jugend, Kultus und Sport sowie von der schweizerischen Ecoscientia Stiftung zur Förderung besonderer Anliegen in Ausbildung und Wissenschaft unterstützt.