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Gesellschaftlicher Wertewandel und seine Konsequenzen für die allgemeine schulische und mathematisch-naturwissenschaftliche Lernmotivation
(2000 - 2006)

Projektleitung: Prof. Dr. Manfred Hofer
Dr. Marten Clausen
Dr. Stefan Fries
Dr. Heinz Reinders
Projekt-Homepage
Ausführlichere Darstellung
Mitarbeiter: Dipl.-Psych. Franziska Dietz
Dipl.-Psych. Sebastian Schmid
Literaturübersicht

Ziel des Projekts ist die Entwicklung und die empirische Überprüfung einer differentiellen Theorie motivationaler Handlungskonflikte, welche in ihrem Kern besagt, dass schulisches Lernen Anstrengung und Zeit kostet und somit im Wettbewerb zu attraktiven außerschulischen Aktivitäten steht.

Die im internationalen Vergleich mäßigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler lassen sich u. a. durch deren Einstellungen erklären, die sie der Schule und dem schulischen Lernen entgegenbringen. Diese Einstellungen sehen wir als Teile von Werten an, die Schülerinnen und Schüler mit den anderen Mitgliedern der Gesellschaft teilen. Die Theorie des Wertewandels (Inglehart, 1998) zeigt auf, dass in den Nachindustriegesellschaften eine Verschiebung von modernen Werten hin zu postmodernen Werten stattgefunden hat. Dies äußert sich in Deutschland darin, dass neben modernen Werten, wie z. B. Leistung, gerade postmoderne Werte, wie z. B. Selbstverwirklichung, soziale Kontakte, Freizeit und Freiheit, hoch bewertet werden.

Auf diesen Überlegungen beruht die oben formulierte Zielstellung des Projekts. Auf Personenseite wird ein Streben nach Leistung (modern) von einem Streben nach Wohlbefinden (postmodern) unterschieden. Es wird angenommen, dass hohe Ausprägungen auf beiden Wertedimensionen zu Konflikten führen können, die sich auf der Ebene der Handlungswahl und -durchführung manifestieren. Solche motivationalen Handlungskonflikte sollten dazu führen, dass der Schüler/die Schülerin auch bei der Ausführung der gewählten (Lern-)Handlung weniger motiviert ist, sich leichter ablenken lässt und mit geringerer Verarbeitungstiefe und schlechterer Stimmung lernt.

In der ersten Phase des Projekts (2002 bis 2004) wurden drei Studien durchgeführt. In der qualitativen Studie 1 wurden anhand von Leitfadeninterviews mit Jugendlichen die globalen Wert- und Lernhaltungen »Streben nach Wohlbefinden« und »Streben nach Leistung« präzisiert. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden Skalen konstruiert, anhand derer die relevanten Konstrukte (v. a. Leistungs- und Wohlbefindenswerte) in der quantitativen Studie 2 adäquat erfasst werden sollten. In dieser Studie wurde das Zusammenwirken der globalen Motivationskonstrukte mit den verhaltensnäheren motivationalen Aspekten der Lernsituation untersucht. Es zeigten sich u. a. die erwarteten positiven Zusammenhänge zwischen Leistungswerten und der Wertschätzung schulischer Handlungen bzw. der Höhe der Wohlbefindenswerte und der Wertschätzung von Freizeitaktivitäten. In einer folgenden experimentellen Studie wurden die Konsequenzen der in der Theorie postulierten motivationalen Handlungskonflikte näher untersucht. Die Probanden wurden dazu mit Lernsituationen bei unterschiedlicher Verfügbarkeit attraktiver Handlungsalternativen (Musikvideos) konfrontiert. Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Lernen durch die Präsenz attraktiver Alternativen beeinträchtigt wird.

In der zweiten Phase (2004 bis 2006) ist eine weitere experimentelle Untersuchung zu Bedingungsfaktoren von Handlungskonflikten geplant. Zudem soll der zweite Messzeitpunkt der Fragebogenstudie realisiert werden, um die längsschnittliche Veränderung von Wertvorstellungen und motivationalen Konflikten zu erfassen. Abschließend wird eine Fokusgruppenuntersuchung durchgeführt, an der Probandengruppen aus dem Fragebogenlängsschnitt teilnehmen, die besonders extreme Verlaufsmuster bezüglich ihrer Wertvorstellungen und berichteten Handlungskonflikte aufweisen.