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Begründen und Beweisen in der Geometrie - Bedingungen des Wissensaufbaus bei Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe
(2002 - 2006)

Projektleitung: Prof. Dr. Kristina Reiss
Prof. Dr. Alexander Renkl
Projekt-Homepage
Ausführlichere Darstellung
Mitarbeiter: Stephan Kessler
Markus Rechner
Literaturübersicht

Das Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie mathematisches Problemlösen im Unterricht, dargestellt am Beispiel des Beweisens und Begründens in der Geometrie vermittelt werden kann.

Sowohl TIMSS, als auch die von der OECD initiierte Erhebung PISA haben gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler auch mit Beweisaufgaben Schwierigkeiten haben, wenn sie über das notwendige Fachwissen verfügen. Die Untersuchung des Themas erfolgt zum einen auf der Ebene des Unterrichts und seinem Einfluss auf Lernprozesse und zum anderen auf der individuellen Ebene als auch auf der Ebene der Schulklasse.

Auf der Ebene des Unterrichts untersuchen wir den Einfluss verschiedener Unterrichtsstile sowie der Vorstellungen von Lehrern über den Charakter mathematischer Beweise auf den Wissenserwerb und die Entwicklung mathematischer Weltbilder (beliefs) von Schülerinnen und Schülern der achten Klassenstufe. Des Weiteren werden Fragestellungen in Bezug auf die Lehrerrolle hinsichtlich der »Fehlerkultur« im Unterrichtsgespräch integriert. Die individuelle Ebene hat Lösungsprozesse und individuelle Determinanten der Leistung beim Verstehen und bei der Konstruktion geometrischer Beweise von Schülerinnen und Schülern der achten Klassenstufe zum Gegenstand.

Die Arbeit der ersten Projektphase war auf die Beobachtung von Prozessen im und Ergebnissen von Unterricht unter Berücksichtigung von Kontextbedingungen fokussiert. Es wurden schriftliche Tests und Fragebögen vor und nach einer Unterrichtseinheit zum »Begründen und Beweisen« sowie videografierte Unterrichtsbeobachtungen eingesetzt. Die Videobeobachtungen von regulärem Unterricht zeigten, dass die Schülerinnen und Schüler eine eher passive Rolle im Unterrichtsgeschehen einnehmen. Die mangelnde Schülerbeteiligung und auch eine mangelnde Fehlerkultur (die Videoaufnahmen zeigen, dass im Unterricht relativ wenige Fehler vorkommen, die in der Regel dann auch nicht als Lernanlass genutzt werden) waren schließlich Ansatzpunkte für die Konzeption eines Schüler aktivierenden Unterrichts in der zweiten Projektphase.

Diese Konzeption basiert auf dem Einsatz von Unterrichtsmaterialien (oder besser Lernumgebungen), mit deren Hilfe die Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler gefördert wird. In der Erprobung waren zum einen die »Themenstudie«, eine von einem gemäßigt konstruktivistischen Paradigma des Lernens geprägte Umgebung, und die »heuristischen Lösungsbeispiele«, eine stärker dem Paradigma der Instruktion zugehörende Lernumgebung. Ungeachtet dieser Zuordnung sollen beide Umgebungen ganz explizit die Eigenaktivität aller Schülerinnen und Schüler im Mathematikunterricht unterstützen. Erste Ergebnisse unserer Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Implementation der heuristischen Lösungsbeispiele in den herkömmlichen Geometrieunterricht zum Beweisen und Begründen in Klasse 8 die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler verbessert.

In den ersten beiden Projektphasen stand somit die individuelle Ebene als auch die Ebene der Schulklasse im Mittelpunkt des Interesses, wobei das wesentliche Hauptaugenmerk auf der Betrachtung der individuellen Kompetenzentwicklung lag. In der aktuellen Projektphase soll dieser Fokus hin zum Einfluss des Unterrichts auf die Lernprozesse und damit insbesondere auch zur Rolle der Lehrerinnen und Lehrer verschoben werden. Hier soll die Konzentration speziell auf der »Fehlerkultur« im Unterricht, also dem Umgang mit Fehlern und den angebotenen Möglichkeiten, Fehler zu machen und aus Fehlern zu lernen, in den jeweiligen Klassenzimmern liegen. Es wird ein Lehrertraining ausgearbeitet, das auf die Schaffung einer produktiven »Fehlerkultur« im Klassenzimmer fokussiert, d.h. auf die konstruktive Nutzung von Fehlern als Lernanlass. Weiterhin werden in der dritten Projektphase unter Berücksichtigung von individuellen Merkmalen und von Unterrichtsbedingungen die erarbeiteten und in der zweiten Phase getesteten Unterrichtsmaterialien zur Vermittlung von Bearbeitungsstrategien für Argumentations- und Beweisaufgaben erweitert, um eine bessere kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler zu erreichen.

Die Ergebnisse der drei Projektphasen sollen in ein integratives Unterrichtskonzept münden, in dem geeignete Materialien für einen Schüler aktivierenden Unterricht in Bezug auf das Argumentieren, Begründen und Beweisen bereitgestellt sowie entsprechende förderliche Unterrichtsbedingungen beschrieben werden. Adressaten sind vor allem Lehrerinnen und Lehrer, die das Konzept in ihrem Unterricht umsetzen können.