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Der Einfluss des Image von Mathematik und Naturwissenschaften auf die schulische Interessen- und Leistungsentwicklung
(2000 - 2006)

Projektleitung: Prof. Dr. Bettina Hannover Projekt-Homepage
Ausführlichere Darstellung
Mitarbeiterinnen: Dipl.-Psych. Dr. Ursula Kessels
Cand. Psych. Sigrun Schirner
Literaturliste

Ziel des Projekts ist es, Schule als Kontext der Identitätsregulation zu begreifen und zu untersuchen, wie die Interessen- und Leistungsentwicklung von Schüler/innen positiv beeinflusst werden können, indem der Grad der Übereinstimmung zwischen dem Selbst der Schüler/innen und der Schule als Lern- und Interaktionsangebot gesteigert wird.

Im Zentrum unseres Forschungsprojektes steht die Annahme, dass die individuelle schulische Interessen- und Leistungsentwicklung nicht nur von idiosynkratischen Bedingungskonstellationen – wie z.B. persönliches Leistungsniveau, Selbstkonzept eigener Fähigkeiten, Einstellungen und Motivation – abhängig ist, sondern auch von sozial geteiltem Wissen, genauer von sog. Stereotypen oder Prototypen, die in der deutschen Schule mit verschiedenen Disziplinen assoziiert werden. Das Stereotyp oder der Prototyp über ein Schulfach ist eine Vorstellung über seinen Gegenstandsbereich, über typische Unterrichtsscripts, Lehrpersonen oder Schüler, die das Fach mögen oder ablehnen.

Bisher konnten wir nachweisen, dass die Stereotype über Mathematik und die Naturwissenschaften in deutschen Schulen sehr negativ sind: Beide Fächer gelten relativ zu den Geistes- und Sozialwissenschaften als schwieriger und werden (je nach impliziter Intelligenztheorie der wahrnehmenden Person) damit auch als stärker diagnostisch für zugrunde liegende Fähigkeiten angesehen (Schwierigkeit und Fähigkeitsdiagnostizität), sind stärker maskulin konnotiert (Maskulinität) und bieten in den Augen der Lernenden weniger Möglichkeiten zu freier Gestaltung und damit zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit/Identität (Selbstaffirmation). Außerdem konnten wie zeigen, dass Jugendliche eine/n Schüler/in mit dem Lieblingsfach Physik oder Mathematik für deutlich weniger attraktiv hielten, als deutlich weniger sozial kompetent und integriert, für weniger kreativ wahrnahmen, dafür aber auch als intelligenter und leistungsmotivierter halten als Schüler/innen mit anderen Präferenzen.

Wir konnten Evidenz dafür gewinnen, dass sich die Stereotype und Prototypen über verschiedene Schulfächer auf die individuelle schulische Entwicklung auswirken, denn Schüler/innen gleichen das Bild, das sie von sich selbst haben – ihr Selbst – mit den stereotypen Bildern ab. Das Selbst des Schülers konstituiert sich – in den für unseren Kontext relevanten Ausschnitten – einerseits aus seinem Wissen über persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Vorlieben und Abneigungen und andererseits aus Theorien, die er über sich als Lernenden hat. Je höher die Übereinstimmung zwischen einem Fach-Stereotyp und dem Selbst, desto wahrscheinlicher ist die Bereitschaft sich dem Fach zuzuwenden und sich dort zu engagieren – z.B. sichtbar in anspruchsvollen Kurswahlen, Anstrengungsbereitschaft oder positiven Einstellungen gegenüber dem jeweiligen Fach. Umgekehrt wird mit abnehmender Passung Vermeidung wahrscheinlicher.

Wir haben nun begonnen, in experimentellen Studien Möglichkeiten der Erhöhung der Übereinstimmung zu prüfen. Weil Stereotype nur sehr schwer veränderbar sind, haben wir uns dabei die Tatsache zu Nutze gemacht, dass das negative Stereotyp über Mathematik und Naturwissenschaften in der Schule nicht permanent, sondern nur unter bestimmten Bedingungen aktiviert ist. Entsprechend haben wir versucht Kontextfaktoren zu identifizieren, die für die Aktivierung des negativen Stereotyps in Schule und Unterricht verantwortlich sind. Auf diese Weise konnten wir Kontexte ausmachen, in denen das Stereotyp nicht relevant wird: entweder weil es nicht aktiviert wird oder aber weil es deaktiviert wird.

Die Arbeit im letzten Antragszeitraum dient zwei Zielen: A) Interventionen, durch die die Aktivierung des Stereotyps in der Schule verhindert werden soll, sollen in experimentellen Studien an Schüler-Stichproben auf ihre Wirksamkeit und Einsatzfähigkeit überprüft werden. B) Es soll experimentell nachgewiesen werden, dass die »identitätskongruente« Nutzung des schulischen Lernangebots funktional für die Identitätsregulation der Schüler/innen ist.